Türenliebe

Verschlossene Paralleluniversen und die anderen "wir" darin

Von allen Rätseln, die oft unlösbar erscheinen; von allen kosmischen Fragen, die sich mit der Frage beschäftigen, "was wohl dahinter liegt", ist die Tür die alltäglichste und irdischste von allen. Auf eine gewisse Art ist sie ein Portal in eine andere Dimension - und ich bin mir sicher, dass meine Wohnung in irgendeinem Paralleluniversum ganz bestimmt hinter einer der Türen liegt, die mir in dieser Welt fremd sind und die ich schon einmal fotografiert habe. Meine eigene erscheint mir dort dagegen als Mysterium und ich frage mich, wer wohl dahinter lebt - eine Frage, die ich von hier aus nur schwer beantworten kann, da ich nicht weiß, wer es in der anderen Welt ist, der sich tagtäglich in meiner Küche Kaffee kocht. 

Angefangen hat alles (wie so oft) mit meiner Liebe zur Science-Fiction-Literatur. Wahrscheinlich war ich elf oder zwölf Jahre alt, als ich zum ersten Mal die Novelle "Die Tür in der Mauer" von H. G. Wells gelesen hatte. Die Tür darin war grün gewesen, was vielleicht auch meine besondere Liebe zu grünen und türkisblauen Türen erklären könnte. Ohne die Novelle nachzuerzählen, möchte ich dennoch eine Verbindung anmerken, die mir besonders im Gedächtnis blieb. Die Tür in der Mauer ließ den Hauptcharakter nicht nur als Kind in eine unglaubliche, andere Welt hineinspähen - sie blieb ein eigenartiges Portal, das ihn im erwachsenen Alter innerlich "Kind werden ließ" und ihn ins Gefühl der Neugierde zurückversetzte. Die Tür, die Frage nach dem "dahinter" behielten die magische Funktion, ihn träumen zu lassen. 

Neben der Jagd nach Worten und ihrem gelungenen Einfangen, nehme ich das Eintreten in neue Türen als die größte Magie wahr, die mir gegeben ist. Denn befinde ich mich erst einmal auf der anderen Seite, wächst meine Matrix, meine Vorstellung von der Welt; und die Anzahl der noch möglichen Durchgänge ist vielleicht das nahegelegendste, das das Konzept der Unendlichkeit erfassen und zugänglich beschreiben kann. 

"If ever that door offers itself to me again, I swore, I will go in, out of this dust and heat, out of this dry glitter of vanity, out of these toilsome futilities. I will go and never return. This time I will stay..." (H. G. Wells: "The door in the wall")

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"[...] Doch einmal, erschöpft, am Abendausklang
fand ich mich schließlich – kann es sein? – 
vor einem bläulich-türkisen Eingang
und jemand flüsterte: „Komm herein.

Doch eines solltest du vorher wissen:
hier hält man nicht viel von dem leeren Wort.
Uns ist der Faden zum Alltag gerissen:
dies ist ein schwebender Zauberort.“

Es gibt blaue Türen in unserem Leben, 
die sollte man öffnen, solang man kann. 
Und ohne zu zögern, ließ ich mich schweben
und nahm die Einladung eilig an. [...]" 

(aus dem Gedicht "Zusammenhalt")

 

"[...]Ich bin mir sicher: irgendwo, am Rand
der geraden Zeit ist ein versteckter Durchgang
zum flachen Ufer meines mürben Traums.

Und finde ich einmal die grüne Tür,
dann wartet hinter ihr ein Boot auf mich.
Ich geh hinein und bleibe dort für immer. [...]" 

(aus dem Gedicht "Des alten Kindes Sehnsucht nach dem Ufer")
 


 

Hier lässt sich die "Türenliebe" im vollen Umfang weiterverfolgen.

Liza Katáeva © Urheberrecht. Alle Rechte vorbehalten. 2023.